06.07.2024 – III. Weg attackiert Treffpunkt am Ostkreuz

Am 06. Juli fand in Berlin-Hellersdorf erneut die „Nach den Rechten schauen“ Demonstration statt, die die rechte Raumnahme im dortigen Bezirk thematisiert. In den vergangenen Jahren kam es u.a. mehrfach zu Angriffen auf das antifaschistische Jugendzentrum AJZ Kita. Hellersdorf ist einer der Organisationsschwerpunkte der Partei „Der III. Weg“ in Berlin. Zur gemeinsamen Anreise für die Demonstration wurde öffentlich ein Treffpunkt am Ostkreuz beworben, der von Neonazis der NRJ angegriffen wurde.

Der Angriff auf einen antifaschistischen Vortreffpunkt in Berlin-Friedrichshain ist ein neuer Höhepunkt rechter Übergriffe in diesem Jahr. Die in der Nähe des Bahnhofs Ostkreuz wartenden Antifaschist*innen wurden an diesem Tag von ca 15-20 bewaffneten Neonazis attackiert. Diese waren vermummt und hatten sich auf den Angriff mit Schlagwerkzeugen und Pfefferspray vorbereitet. Davon überrascht flüchteten sich die meisten Antifaschist*innen über den Bahnhof. Dennoch wurden mehrere Personen von den Angreifern zum Teil schwer verletzt, laut Aussagen der Polizei auch eine Bundespolizistin. Neben dem Ort und der Art des Angriffs zeigt sich die Täterschaft von Nazis des III. Wegs durch die Identifizierung von und durch die angegriffenen Antifaschist*innen.

Dieser Angriff ist kein Einzelfall. Es ist die zweite gewaltvolle Episode in diesem Jahr, der dem lokalen III. Weg Stützpunkt zugeschrieben werden kann. Die erste Episode ereignete sich im Januar diesen Jahres.In der Folge war es einige Monate ruhiger um die aktionsorientierten Neonazis, die vor allem Mitglieder der Parteijugend NRJ sind. Seit Mitte Juni kommt es nun wieder gehäuft zu Angriffen. Es wurden Antifaschist*innen bedroht, Tresen von linken Gruppen aufgesucht und auf weiteren Wegen gewalttätige Auseinandersetzungen gesucht. Dabei zeigt sich ein höheres Maß an Organisierung im Vorgehen der Neonazis, aber auch ein Mangel an Entschlossenheit bei unerwarteter Gegenwehr.

Für viele Antifaschist*innen ist der Ort des Angriffs vom 06. Juli überraschend. Berlin-Friedrichshain wird als Linke Szenehochburg wahrgenommen. Aushängeschild dessen sind die vielen autonomen Hausprojekte und eine lange erfolgreiche antifaschistische Tradition. Dass diese Tradition insbesondere den jungen Nazis vom III. Weg wenig bedeutet, zeigte sich jedoch schon am 20. Januar diesen Jahres. Im Umfeld eines antifaschistischen Tresens im „Zielona Gora“ versammelte sich eine Gruppe von NRJlern und suchte nach möglichen Angriffszielen. Der Angriff am Ostkreuz ist demnach nicht der erste Versuch von Nazis in Berlin-Friedrichshain Antifas anzugreifen, nur ist es ihnen diesmal gelungen. Es sollte allerdings nicht der Fehler gemacht werden die Nazis und ihre Gewaltkompetzenz zu überschätzen. Viele Angreifer sind noch sehr jung. Bei bisherigen Angriffen waren sie meist in deutlicher Überzahl oder trafen auf vollkommen unvorbereitete Gegner*innen. Erfolgreiche Überfälle gegen wehrhafte Gruppen sind bislang nicht bekannt.

Trotzdem zeigt dieser Angriff eine allgemeine Entwicklung der Nazipartei auf. Lokale Demonstrationen, politische Kampagnen oder rechte Graswurzelprojekte sind kein erkennbarer Schwerpunkt des Berliner Ablegers. Stattdessen professionalisiert sich die Struktur in der Anti-Antifa Arbeit und ihrer Kaderschulung. Rund um die Demonstration in Hellersdorf konnten mehrere Gruppen von Nazis beobachtet werden, die offensichtlich die Konfrontation mit Demonstrant*innen suchten. Zusätzlich bewegten sich Nazis mit Kameraequipment am Rande der Demonstration und machten Fotos von der vorbeiziehenden Demonstrant*innen. Nazis auf Fahrrädern erkundeten gleichzeitig die Umgebung. Es liegt nahe, dass hier die Expertise von älteren Kadern der Struktur wie , und zu tragen kommt. Für die Zukunft ist aufgrund dieser Schwerpunktsetzung wahrscheinlich, dass antifaschistische Akteure in den Bezirken mit Organisationsschwerpunkt der Nazis oder antifaschistischen Veranstaltungen mit Bezug zur Partei zum Ziel von Angriffen werden.

Der aktuelle Schwerpunkt Anti-Antifa Arbeit ist auch ideologisch beim III. Weg begründet. Seit vielen Jahren existiert die Parteieigene „Körper & Geist“ AG, die vor allem Kampfsport fördert. Der Wolfskopf als Symbol dieser Partei wird vom III. Weg Ableger in Berlin sehr häufig auf Plakaten genutzt. Das Parteiinterne Credo vom „Kampf um die Gemeinschaft“ kommt hier zum tragen. Der III. Weg greift dabei die durchaus vorhandene Vereinsamung und Vereinzelung in der Gesellschaft auf und setzt ihr die deutsche Volksgemeinschaft entgegen. Diese ist wenig überraschend eine Gesellschaft, die nur das weiße deutsche Volk umfasst. Platz für Lebensentwürfe außerhalb dessen bleibt keiner und auch die Herrschaftsverhältnisse von Staat und Kapital werden nicht grundlegend angetastet. Stattdessen darf in dieser Welt sich der Mensch nur noch von anderen Menschen aus dem Volkskörper ausbeuten lassen.

Kampfsport wird im Zuge des Kampfes um die Gemeinschaft als revolutionäre Praxis verklärt. Zum einen wird schon die Tatsache, dass zusammen Sport getrieben wird als revolutionär angesehen, zum Anderen ist der Sport eine Vorbereitung auf den Straßenkampf. Das umfasst auch das von der Partei verehrte Soldatentum. Außerdem werden an dieser Stelle gesellschaftliche Probleme wie weit verbreitetes Übergewicht beschworen, welche angeblich bewusst geschaffen wurden um die deutsche Wehrhaftigkeit zu zersetzen. Das Gegenmittel ist eine sportliche wehrhafte deutsche Jugend. Passend dazu steht in Parteieigener Propaganda dazu „Sei kein Opfer werde Nationalrevolutionär“.

Es bleibt auch nach diesem Angriff die Erkenntnis, dass gegen militante Nazigewalt nur Solidarität, Organisierung und entschlossene Gegenwehr hilft. Die momentane Verunsicherung im Umgang mit militanten Neonazis ist verständlich. Wir müssen uns aber vor Augen führen, dass die Situation für Antifaschist*innen keineswegs neu ist. Auch Berlin-Friedrichshain war nicht immer die Linke Hochburg, als die sie heute gilt. Es liegt erneut an uns, dass Nazis in Berlin in Zukunft wieder antifaschistische Kieze meiden und ihre Aktivitäten zum Erliegen kommen.

WEN ERKANNT?

Solltest du Informationen zu einer der auf dieser Website abgebildeten Personen haben, melde dich gerne bei uns! Jeder Hinweis hilft faschistische Strukturen aufzudecken.

Melde dich bei uns